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Citizen Science Zürich

BB Lunch: Bergbau goes public. Entdecken von alten Spuren mit neuen Mitteln

In diesem Brownbag Lunch ging es auf eine spannende Reise in die Erzmatt, im Kanton Solothurn. Bis 1850 wurde dort Erz abgebaut und immer noch sind Spuren davon sichtbar. Rouven Turck vom Fachbereich Prähistorische Archäologie der Universität Zürich und Beat Meier, Geologe und engagierter Privatforscher, haben ihr Projekt vorgestellt, das diese Spuren erforschen möchte. Die Wissenschaftler erhoffen sich dadurch mehr über die historischen Bergbauaktivitäten in der Region zu erfahren und den genauen Verlauf der unterirdischen Stollen zu vermessen. Dabei spielen Citizen Scientists eine wichtige Rolle. Möchtet Ihr mehr erfahren? Dann taucht mit uns ein in die geheimnisvolle Welt des historischen Bergbaus!

Wir befinden uns in der Erzmatt, am Nordhang der südlichsten Jurakette, zwischen Oensingen und Balsthal, im Kanton Solothurn. Das gesamte Projekt dreht sich um die Erkenntnis, dass hier vor rund 200 Jahren Bohnerz in unterirdischen Stollen abgebaut wurde. Die zwei Wissenschaftler, Rouven Turck und Beat Meier, gehen von einem dichten Stollennetz mit drei Stolleneingängen aus. Aus der Literatur wissen sie, dass der Grubenbau ein sogenannter Pfeilerbau gewesen sein muss, wohl meist ohne Bergversatz, d.h. die entstandenen Hohlräume wurden nicht mit Gestein aufgefüllt. Darum trifft man in der Erzmatt heute noch eine Reihe von trichterartigen Einsenkungen im Gelände an – sogenannte Pingen – und etliche grosse Abraumhalden. Auch sind noch Spuren von möglichen Wetterschächten sichtbar, die für die Frischluftzufuhr in den Stollen verantwortlich waren.

Eine Zeitreise: Wer hat in der Erzmatt Bohnerz abgebaut?

Nach etlichen Stunden in Archiven konnte Beat Meier zusammentragen, dass die Anfänge des Bohnerzabbaus in dieser Gegend wohl auf die Römer zurückgehen – also ins 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. Eigentliche Schürfversuche wurden im 16. Jahrhundert durchgeführt. Aber erst Ende des 18. Jahrhunderts erteilte der Kanton Bergwerkkonzessionen. Mit der Gründung der Firma «Ludwig von Roll & Cie.» zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Bergbau auf der Erzmatt schliesslich industrialisiert: Das Unternehmen fasste mehrere Eisengewinnungsbetriebe zusammen und erhielt anschliessend die Bewilligung einen Hochofen zu errichten. Die Erzausbeutung dauerte gut 50 Jahre bis ca. 1850 und wurde danach eingestellt.

Ein Rückblick: Was bisher geschah

Neben der historischen Analyse in den Archiven haben die zwei Forscher auch die Oberfläche der Erzmatt unter die Lupe genommen. LiDAR-Daten (Light Detection and Ranging) sind ein ausgezeichnetes optisches Fernerkundungsmittel zum Aufspüren dieser Spuren, die der historische Bergbau an der Oberfläche zurückgelassen hat. Mittels LiDAR-Daten haben sie Spuren ausfindig gemacht und anschliessend durch die professionelle GIS-Anwendung QGIS einfach und kostengünstig ausgewertet. Seit dem Herbst 2020 sind Vorarbeiten vor Ort dazugekommen, inklusive Feldbegehungen, provisorische Vermessungen und das Sammeln von Proben. Auch wurde bereits mit einer ersten geophysikalischen Untersuchung des Gebietes begonnen. Über diese Aktivitäten ist auch ein spannender Artikel im Oltner Tagblatt erschienen. Wie so oft hat sich auch hier gezeigt, dass dank der medialen Sichtbarkeit über traditionellen Medien, die Öffentlichkeit auf das Projekt aufmerksam wurde. In Folge dessen sind etliche wertvolle Meldungen und Hinweise zu Funden von lokalen Bürger*innen eingegangen. Was schön aufzeigt, wie wichtig das Engagement von Bürger*innen, Forstwirt*innen und Hobbyforschenden vor Ort für den Erfolg eines solchen Projekts ist.

Ein gut vernetztes und vielfältiges Projekt mit grossen Ambitionen für die Zukunft

Dass der Stollen existiert, wissen sie dank ihrer intensiven Vorarbeiten einerseits im Archiv und andererseits vor Ort. Aber wie dieser genau aussieht, das möchten sie nun weiter erforschen. Das Ergebnis ist ein sehr vielfältiges und interdisziplinäres Projekt, das Disziplinen von Geographie, Geologie und Geophysik bis hin zu Archiv- und historischen Wissenschaften und Archäologie abdeckt. Die zwei Wissenschaftler haben bereits ein breites Netzwerk aus Partnerinstitutionen aufgebaut, inkl. die Von Roll AG, die Kantonsarchäologie, Vereine und Bürgergemeinden oder auch der Naturpark Thal – um ein paar zu nennen. Gemeinsam mit ihren Partnern schwebt den Wissenschaftlern vor, die gesamte Fläche der Erzmatt geophysikalisch aufzunehmen, um damit die Modellierung des tatsächlichen Bergbaus empirisch belegen zu können. Eine weitere Idee wäre die touristische Nutzung des Fundortes. Dafür würde sich das momentan sehr gefragte Geocaching gut eignen. Auch sollen die gesammelten Daten und Funde über eine Datenbank oder einen Blog der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Und darüber hinaus als eine gemeinsame Plattform für den Austausch zwischen Wissenschaftler*innen und Bürger*innen dienen. Mit dem Ziel, deren Partizipationsmöglichkeiten sicherzustellen.

Citizen Science und Bergbau

Wobei wir bei einem weiteren Punkt angelangt sind: der Einbezug der Öffentlichkeit und von interessierten Bürger*innen in das Forschungsprojekt. Gerade archäologische und geologische Fragestellungen eignen sich sehr gut für Citizen Science-Projekte. Wie bereits erwähnt, sind die Bürger*innen vor Ort sowie die allgemeine Öffentlichkeit äusserst wertvoll für das Projekt, um einerseits über Funde zu berichten, aber auch um aktiv an der Feldforschung mitzuwirken. Eine Reihe von Laienforschenden, die sich etwa im Rahmen der Schweizerischen Gesellschaft für historischen Bergbau (SGHB) mit Bergbaufunden befassen, sind bereits aktiv in das Projekt involviert. Aber natürlich will das Projekt noch viel mehr Menschen vor Ort einbeziehen. Deshalb koordiniert und motiviert Beat Meier Anwohner*innen und interessierte Bürger*innen für Sondengänge und Feldbegehungen. Auch ist geplant, eine starke Community aufzubauen, unter anderem über den oben genannten Blog und über die (Sozialen) Medien.

Zu den Projektgründern

Rouven Turck hat 2012 das Doktorat in Ur- und Frühgeschichte an der Universität Heidelberg abgeschlossen und ist heute wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent am Fachbereich Prähistorische Archäologie an der Universität Zürich. Im Mittelpunkt seiner Forschungsinteressen stehen die Rekonstruktion der Lebensverhältnisse des prähistorischen Menschen. Rouven Turck ist zudem Projektleiter des SNF-Projekts «Prähistorischer Bergbau im Oberhalbstein (GR)» – einem Partnerschaftsprojekt mit uns vom Citizen Science Center Zürich. Und ebenfalls Projektleiter im Projekt «Altes Eisen in Trient (VS)».

Beat Meier ist in Olten aufgewachsen und hat 1983 das Doktorat in Geologie an der Universität Basel abgeschlossen. Danach war er sieben Jahre lang als Geologe und Geophysiker beim holländischen Erdölunternehmen Shell tätig. 1992 hat er zusammen mit Kollegen ein Unternehmen gegründet, das geologische Studien für Firmen rund um die Welt angeboten hat. Seit 2016 ist er pensioniert und widmet sich seither der Recherche über den Bergbau.

Ursina Roffler